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"Kinderhauser Kreuzweg" (2008)

by Norbert Ammermann

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about

So wie Silke Rehbergs neue Fenster in St. Josef in Münster-Kinlerhaus die Betrachterinnen und Betrachter angesichts ihrer spielerischen Direktheit und ihrer darin impliziten Tiefsinnigkeit irritieren, um frische Erkenntnisse zu ermöglichen, so greift auch die Vertonung der Kreuzwegfenster diese irritierende, spielerische Element der Bilder auf, um eine neue auditive Erkenntnis des Kreuzweges Jesu Christi zu ermöglichen.

Über Jahrzehnte waren wir gewohnt, Bild und Musik der ungegenständlichen Kunst als eine Möglichkeit der Meditation und der religiösen Erfahrung zu verstehen. Die Kreuzwegbilder stecken aber voll Erzählfreude, und dieses Moment suchen die Vertonungen in postmodernen Stil fortzusetzen.

Die Wirklichkeit wird in der postmodernen Kunst als höchst komplex und zerrissen erfahren.
„Die alten Ausdrucksformen einer durchgängigen Erzählung, die einfachen und eindeutigen Bilder waren nicht Hehr möglich, wollten sie nicht falsch und unglaubwürdig erscheinen. Zunehmend integrierten die Künstler Dinge des Alltags in ihre Werke, verfremdeten sie und rissen die Grenze zwischen hoher und trivialer Kunst ein“. Dieser Ansatz wird in den Vertonungen fortgeführt. So wie in den Bildern Silke Rehbergs scheinbar Vertrautes erkannt wird, aber dieses in einen neuen und ungewohnten Zusammenhang gestellt wird, so stellen auch die Vertonungen ihr Material in neue Zusammenhänge.

Schon die Besetzung ist ungewohnt: Sopran, Querflöte, Klarinette, Horn, Trompete, Pauken und Trommeln, 2 Violinen, Viola, Cello und Kontrabass. Die Kirchenorgel schweigt.

Zur musikalischen Idee:

Als Beispiel sei das 1. Fenster „Jesus wird verurteilt“ aufgegriffen. So wie die isolierten Personen vor zahlreichen leeren Flächen arrangiert sind, so beginnen die Vertonungen mit dem Kreuzwegmotiv, einer auf- und abfallenden unmelodischen Septimfolge, auf dem Hintergrund der „weißen Leerstellen“ der Pausen. Dieses Septimmotiv wird dreimal angestimmt, wobei es zunehmend in sich verschoben und brüchig wird. Der Schatten des Abendmahlkelches erklingt in der „schattigen“ Horn- und Klarinettensequenz des Kirchenliedes „Das sollt ihr Jünger Jesu nie vergessen“. Es entwickelt sich eine erste musikalische Erzählung, die zu dem Volkskinderlied „Der Hahn ist tot“ überleitet.

Diese Verbindungen von musikalischer Interpretation und Volks(kinder)liedern1 machen den Kern dieser Vertonungen aus. Die Kinderlieder beziehen sich u.a. auf die Tierdarstellungen in den Fenstern des Kreuzweges. Auf Kinderlieder wird musikalisch nicht zurückgegriffen, weil diese Kreuzwegfenster der St. Josephskirche in Münster-Kinderhaus zu finden sind. Vielmehr eröffnet das Kinderlied einen anderen realistisch-schmerzhaften Blick auf den Kreuzweg. Kinder haben noch nicht die „Technik“ von uns Erwachsenen gelernt, die Realität zu verschleiern, zu verdrängen oder schön zu reden. Vielmehr sehen sie „unbefangen“ oder unbestechlich die Unstimmigkeiten, Schmerzen und Grausamkeiten, die unseren Alltag durchziehen. So führt dieser rote Faden der Kreuzwegvertonungen, nämlich musikalische Auslegung und Kinderlied zu kombinieren, die erwachsenen Hörer dazu, sich ihrer eigenen Distanz zu diesem Geschehen um den Tod Jesu bewusst zu werden und eben darin eine neue Nähe erfahren und aufbauen zu können.

Die Lieder
1. Fenster: Jesus wird verurteilt („Der Hahn ist tot“)
2. Fenster: Jesus nimmt das Kreuz und begegnet den weinenden Frauen („Kuckuck“ und „Der kleine Trommler“ mit der Textunterlegung vom „Schmerzensmann“)
3. Fenster: Jesus fällt dreimal unter dem Kreuz („Ist ein Mann in Brunn gefallen...“)
4. Station: Jesus in der Rast („Nun lässt der Lenz uns grüßen“)
5. Fenster: Das Schweißtuch der Veronika („Unter der Linde“ / mittelalterliches Liebeslied)
6. Fenster: Jesus wird ans Kreuz geschlagen
7. Fenster: Jesus stirbt am Kreuz
8. Pieta („Da droben auf dem Berge...“)
9. Fenster: Jesu Grablegung („Bruder Jakob“)
10. Fenster: Der Pelikan („Wie sollt ich Dich empfangen“)



Das 2. Fenster „Jesus nimmt das Kreuz auf sich“ kombiniert das zerbrochene Weihnachtslied „Es ist ein Ros´ entsprungen“ und das Kindelied „Der kleine Trommler“. Es sind unsere Projektionen einer weihnachtlichen Heilsgeschichte und der Vorstellung vom „Schmerzensmann“, die hier in Frage gestellt werden. Das Kinderlied „Kuckuck“ ist schwermütig gesetzt und den weinenden Frauen zugeordnet.



Das dritte Fenster „Jesus fällt dreimal unter dem Kreuz“ läßt zu Beginn Trompete, Horn und Klarinette schmerzhaft „wiehern“; hier wird das Pferd als Existent in ihrer Kreatürlichkeit verstanden, als Schmerz und Tod, die nicht mehr zu beschönigen sind. Das Septimmotiv des Kreuzes wird formal streng fugiert; so stehen der Fall Jesu ins Abgrundlose und eine in sich fast tot erscheinende, „erfrorene“ Form sich diametral gegenüber. „Ist ein Mann in´ Brunn´ gefallen – dieses Kinderlied greift die scheinbare Sinnlosigkeit des Todesweges Jesu auf.

Das vierte Fenster: Jesus in der Rast: Dieses Fenster ist nicht von der Künstlerin geschaffen, sondern traditionell. Diese historisch-traditionelle Dimension wird musikalisch umgesetzt durch eine klassische Fuge.


Das fünfte Fenster: Das Schweißtuch der Veronika: Dieses Fenster beinhaltet am meisten die künstlerische Reflexion von Silke Rehberg. Es thematisiert die ewigen menschlichen Versuche, sich ein Bild zu machen von Gott und seinem Sohn. Hinter unsere Bilder können wir nicht sehen, der Anblick Gottes „per se“ ist nicht möglich, sondern kann nur dadurch erfolgen, indem wir in Christus das Abbild Gottes erkennen. Aber auch von Jesus als dem Christus sind wir auf unsere Bilder angewiesen. - Die musikalische Auslegung verhält sich dazu diametral: Wo Frau Rehberg in gewissen Sinne das Gebot Gottes thematisiert, sich kein Bild zu machen, thematisiert die Komposition jene Gottesliebe, die nach B. Brecht sich gerade ein Bild zu machen bestrebt ist. Liebe formt das Gegenüber nach dem eigenen Bilde, und auch dieses Motiv findet sich in der Bibel, schon mit Genesis 1, da Gott den Menschen zu seinem Bilde schuf. Dass der zerbrechende Mensch von Gott im Bilde gehalten wird, ist ein Geheimnis der Passion Jesu. So wird ein mittelalterliches Liebeslied angestimmt, dass eine eigenwillige Interpretation des Schweißtuchs der Veronika bildet. „Küßt er mich? - Wohl tausendmal“ - dieser Satz führt zu einer melismatischen Modulation, die bereits in den Streicherfiguren jene „Lebensfäden“ in Jesu Grablegung vorwegnimmt, die Gott mit uns als gemeinsame Geschichte des Auferstandenen Liebe mit uns Menschen lebt.

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released December 22, 2023

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